Worum geht es in diesem Artikel?
Vielen ist nicht bewusst, dass bei Flaschen, die mit einem CO2-haltigen Getränk befüllt sind, es sich um Druckgeräte handelt, deshalb werden hier Risiken, Schadensursachen und Vermeidung von Schäden thematisiert.
Darf Glas brechen?
Zum 60. Jahrestag des Kieler Matrosenaufstands sang Knut Kiesewetter 1978: „Die Macht im Staat haben immer noch die Gleichen“. Inzwischen hat sich einiges geändert. Bier hatte anno 1978 in der Regel eine versprochene Mindesthaltbarkeit von überschaubaren 6 Wochen, Pils mindestens 30 EBC-Bittereinheiten und trübe Limonaden konnten aufklaren und durften noch einen Ring am Flüssigkeitsspiegel bilden; wer in Dortmund in einem Gartenlokal ein Weizen bestellte, bekam einen Schnaps und der Hersteller eines Kellnermessers durfte noch darauf hinweisen, dass Flaschen aus Glas bestehen und Glas brechen kann. Heute ist ein „Pils“ deutlich stärker eingebraut, ist nur noch sehr schwach gehopft und ähnelt in der Mindesthaltbarkeit einer Dauerkonserve. Das heutige Bier wurde vom Handel gefordert, um es beliebig austauschbar zu machen. NGOs und Berufspolitiker bestimmen was gut und richtig für das Volk ist. Aussagen über ein Produkt werden von „Marketingexperten“ festgelegt, dazu gehört, dass es Premium, Superior oder das Beste vom Besten ist und negative Aussagen, wie z.B. das Glas brechen kann werden geächtet.
Dass Häufiges häufig und Seltenes selten vorkommt, ist allgemein bekannt? Könnte es sein, dass sogar Schulkinder eher die Ausnahme als die Regel lernen und beherrschen? Ist es allgemein bekannt, dass viele Flaschen für CO2-haltige Getränke aus Glas bestehen und das Glas brechen kann? Weiß der Kunde, dass Glassplitter auf Überschallgeschwindigkeit beschleunigt werden, wenn ein mit CO2-haltigem Produkt befüllter gläserner Druckbehälter laut knallend zerbricht?
Sicherheitshinweise
Sollten „Umweltliebende“ froh darüber sein, wenn Glasflaschen extrem viele Wiederbefüllungen absolvieren und zum sehr großen Teil neue Flaschen aus recyceltem Altglas bestehen? Werden Fortschritte in der Glasherstellung, die die Sicherheit erhöhen müssten, durch hehre politische Vorgaben aufgezehrt?
Was würde es ändern, wenn dem Konsumenten bewusst gemacht würde, dass unter bestimmten Umständen Glasflaschen brechen und welche Gefahren damit verbunden sind? Noch 1990 wurde jährlich in Deutschland eine vierstellige Personenzahl durch brechende, mit CO2-haltigem Getränk befüllte, Glasflaschen körperlich verletzt. Würde Erziehungsberechtigten gewahr werden, dass eine Limonadenflasche kein Kinderspielzeug ist? Würden einfachste Vorsichtsmaßnahmen umgesetzt und Verletzungen verhindert oder die Schwere der Verletzungen gemindert werden; oder würden Konsumenten auf weniger „gefährliche“ Verpackungen ausweichen?
Wenn ein Messerhersteller darauf hin weist, dass seine Messer besonders scharf sind und von ihnen ‑ bei unsachgemäßer Nutzung ‑ eine entsprechend hohe Verletzungsgefahr ausgeht, wird man kaum auf stumpfe Messer ausweichen; aber ein vergleichbares Ergebnis lässt sich in der Regel auch nicht mit einem stumpfen Messer erzielen. Zur Abfüllung karbonisierter Getränke sind verschlissene, mit hohem Altglasanteil hergestellte Mehrwegglasflaschen jedoch nicht alternativlos, sodass hiermit [rein spekulativ!] begründet werden könnte, warum das potenzielle Verletzungsrisiko verschwiegen wird. Nichtwiederbefüllbare vollständig gesleevte Glasflaschen oder Aluminiumdosen wären aus rein technischer Sicht betrachtenswerte Alternativen; gegenüber gebräuchlichen Kunststoffflaschen sind Glasflaschen (und auch Getränkedosen) nahezu gasdicht und inert.
Unvermeidbar

Die Innendruckfestigkeit von Glasflaschen nimmt bei jedem Befüllen unter Gegendruck und jedem Transport ab. Versuche in den 1970-er Jahren, die Sicherheit zu erhöhen, indem Flaschen unmittelbar vor dem Befüllen bewusst mit einem Prüfdruck beaufschlagt werden, um fehlerhafte Flaschen gezielt durch Bersten auszusortieren, mussten scheitern, da durch den (sehr hohen) Innendruck die Flaschen nicht sichtbar, aber trotzdem erheblich geschädigt werden, sodass diese Prüfung kontraindiziert ist.
Durch die konstruktive Gestaltung und Ausführung der Glasflasche sowie durch das Aussortieren von Flaschen mit sichtbarem Verschleiß, lässt sich die Anzahl der im Markt brechenden Glasflaschen und damit die Zahl der Verletzten reduzieren. Kosten und Marketingvorstellungen konkurrieren hier mit der Sicherheit. Einfache Vorsichtsmaßnahmen könnten Konsumenten leicht umsetzen, jedoch müssten sie dafür sensibilisiert werden. Der Markeninhaber der seine Kundschaft als erster darüber informiert, wie man mit der potenziellen Gefahr einer brechenden Glasflasche umgehen sollte, um ein Bersten möglichst zu verhindern oder die Folgen abzumildern, wird entweder als Vorreiter gelobt oder durch einbrechende Verkaufszahlen bestraft werden.
Einfache zu kommunizierende Regeln wären z.B.: Hohe Temperatur+hoher CO2-Gehalt = „erleichtert“ Glasbruch, deshalb sollte man die Kiste Mineralwasser, die im Kofferraum 50°C angenommen hat, vorsichtig transportieren und nicht mit Schwung auf dem Boden des Vorratsraums abstellen. Insbesondere wenn die Kiste abgesetzt wird, ist es ratsam, den Kopf zur Seite zu drehen, denn eine Schnittverletzung in der Wange ist besser als eine im Auge? Ein (altes Hand-)tuch, das auf der Kiste liegt, kann den Flug der Splitter einer brechender Glasflasche weitgehend verhindern. Wenn im Restaurant eine (Schaum-)Weinflasche geöffnet wird, befindet sich eine Servierte um den Flaschenhals, nicht nur weil dies schicker oder hygienischer aussieht, sondern auch, um sich im Falle eines Glasbruchs vor Schnittverletzungen zu schützen.
Produkthaftung

Nach §1 Abs. 2 Produkthaftungsgesetz würde der Hersteller in sehr vielen Schadensfällen nicht haften. Ein Eigenverschulden von Geschädigten wird häufig verschleiert oder der Schadenshergang wird bewusst falsch dargestellt. Zur Ermittlung des Schadenshergangs sind alle (wesentlichen) Teile der gebrochenen Flasche erforderlich. Mit Hilfe der Glasscherben lässt sich der Schadenshergang mit extrem hoher Wahrscheinlichkeit rekonstruieren. In der Praxis sind jedoch „Beklagte“, Haftpflichtversicherer und Gerichte häufig bereit den Ausführungen und Wünschen von Geschädigten ‑ ohne qualifizierte Prüfung ‑ zu folgen.
Bei der Bearbeitung von Schadensfällen lauern Stolpersteine, die nicht immer zu vermeiden sind, deshalb ist die sorgfältige Dokumentation von angemeldeten Haftungsansprüchen empfehlenswert. Beweismittel sollten mehrere Jahre aufbewahrt werden, da z.B. auch nach einer Regulierung Haftpflichtversicherer den eigentlich Schuldigen suchen könnten.

Ursache eindeutig?
Abbildung 1 zeigt eine rekonstruierte Flasche, bei der auch ein Nichtfachmann den Bruchursprung leicht erkennen kann. Man ist geneigt, auch die Bruchursache mit absoluter Sicherheit zu bestimmen. Sicherlich hat hier ein Schlag den Bruch der Flasche ausgelöst. Aber gibt es noch weitere Faktoren, die zum Bruch der Flasche geführt haben? Welchen Einfluss hatten der Innendruck, der im wesentlichen von den im Getränk gelösten Gasen (vornehmlich CO2), der Temperatur und auch dem Füllstand beeinflusst wird; welchen Einfluss hatten die Konstruktion, die Fertigungsgüte der Flasche inkl. eventueller Fehler sowie der Verschleiß der Flasche?

Eine Glasflasche bricht, wenn sie der Summe der auf sie einwirkenden Kräfte nicht mehr standhalten kann. Während der Produktionskontrolle bei der Herstellung müssen Flaschen einem Innendruck von z.B. pü >18bar standhalten; dies bedeutet aber nicht, dass das Gros der Flaschen spätestens bei z.B. 20 bar bricht, sondern ein nennenswerter Anteil wird regelmäßig auch mehr als den doppelten Prüfdruck überstehen. Abweichungen vom Idealzustand ‑ wie z.B. kleinste Steincheneinschlüsse ‑ können evtl. am Bruchursprung festgestellt werden und dafür verantwortlich sein, dass die Flasche an dieser Stelle zuerst gebrochen ist; aber wenn sie nach der Fertigung dem festgelegten Prüfdruck widerstanden hätte, ist diese Abweichung vom Ideal vermutlich kein Fehler und somit auch kein Mangel. Bei der Serienproduktion muss es Toleranzen zum Sollwert (Idealwert) geben, dies sind bei Flaschen z.B. Abweichungen in der Materialverteilung (Glasdicke) oder auch Einschlüsse, wie Gasblasen, Metallfäden (Abb. 9) oder auch Steinchen. Welchen Innendruck eine (Mehrwegglas-)Flasche überstehen muss, ist nicht allgemeingültig festgelegt. Sicherlich ist es sinnvoll den maximal auftretenden Druck ‑ der in der Praxis auftreten kann ‑ zu bestimmen. In Mitteleuropa können im in der Sonne abgestelltem Kraftfahrzeug Temperaturen von deutlich über 60°C auftreten, d.h. man muss sicherlich von 70°C oder sogar 80°C Getränketemperatur ausgehen. Unter Berücksichtigung der Produktparameter lässt sich der max. zu erwartende Innendruck errechnen. Auf diesen errechneten Druck müsste ein Sicherheitszuschlag von z.B. 50% erfolgen, um festzulegen, bei welchem statischen Innendruck eine mängelfreie Glasflasche zum Zeitpunkt des Verkaufs nicht brechen darf.

Begutachtung
Anhand der aus Glasscherben rekonstruierten Flasche und ggf. Untersuchung der Scherben im Bereich des Bruchursprungs sollte die Frage geklärt werden können: Ist die Flasche in Folge eines Mangels, der zum Zeitpunkt des Verkaufs vorlag (oder bereits angelegt war) gebrochen, d.h. wäre sie zum Zeitpunkt des Verkaufs bei einem Prüfdruck, der dem maximal zu erwartendem Druck zzgl. Sicherheitszuschlag gebrochen oder trägt eine andere Kraft(‑einwirkung) für das Zerbrechen die „Schuld“ und wenn ja, welche? In gerichtlichen Beschlüssen gestellte Beweisfragen dürfen natürlich nicht das Wort „Mangel“ enthalten, denn damit würde eine unzulässige Rechtsfrage gestellt werden. Leider formulieren Rechtsanwälte selten ihre Anträge allgemein und ergebnisoffen, sondern sie wollen z.B. beweisen, dass (k)ein Mangel durch einen bestimmten Fertigungsfehler vorlag. Ein Richter im Zivilprozess muss sich an die Anträge der streitenden Parteien halten und formuliert die Beweisbeschlüsse deshalb häufig im Wortlaut der Anträge.
Abbildungen 2; 3; 4; 9 zeigen eine zerbrochene Schaumweinflasche. Schaumwein wird grundsätzlich in Neuglas abgefüllt.
Zwanzig Minuten nach dem Kauf der Flasche bei einem Lebensmitteldiscounter und einer 2 km langen Autofahrt an einem warmen Sommertag (Wetteraufzeichnung t = >26°C), hat der Käufer versucht die Flasche mit Hilfe eines Kellnermessers zu öffnen. Nach Aussage des Käufers sei die Flasche beim Versuch sie behutsam ohne besondere Krafteinwirkung zu öffnen, praktisch von alleine „spontan explodiert“, sodass nur ein Fehler im Glas der Flasche für das Bersten und die damit zusammenhängenden Verletzungen verantwortlich sein könne.
Das Kellnermesser (Werbegeschenk) weist eine deutliche Winkelabweichung zwischen der Drehachse des Hebels und der der Wendel auf (Abb. 6; 7). Der Wendeldraht ist (im Verhältnis zu Kellnermessern, die üblicherweise professionell verwendet werden) sehr dick und weist eine geringere Steigung auf (Abb. 8), was dazu führt, dass die vom Korken ausgehende Kraft auf die Flascheninnenwand durch die Verwendung dieses Kellnermessers deutlich ansteigt und der Korken noch fester in die Flaschenmündung gepresst wird.

Ein Ausbruch an der Innenseite der Mündung (Abb. 4) und Kratzer (Abb. 3 und 5) deuten darauf hin, dass beim Versuch den Korken herauszuhebeln, nur ein Teil des Kellnermessers Kontakt mit der Flaschenmündung hatte und die Krafteinwirkung erheblich gewesen sein muss.
Der Zeitraum zwischen Abfüllung der Flasche und dem Schadensereignis betrug 38 Tage. In dieser Zeit stand die Flasche aufrecht und der Korken konnte weitgehend austrocknen. Gemäß der Beschreibung des Geschädigten, den Wetterdaten und den Aufzeichnungen des Abfüllers, muss der Innendruck zum Zeitpunkt des Schadensereignisses mindestens pÜ = 6,0 bar betragen haben.

Ein Kellnermesser ist grundsätzlich ungeeignet eine Schaumweinflasche zu öffnen, die Konstruktion und der Zustand des verwendeten Kellnermessers waren fehlerhaft. Durch den dicken eng gewickelten Draht der Wendel des Korkenziehers war der Innendruck der Flasche im Bereich des Korkens sehr hoch. Der Korken war trocken und der durch das Getränk erzeugte Innendruck der Flasche war ebenfalls hoch. Der Käufer hatte beim Öffnen seine Hand nicht z.B. durch ein Handtuch vor Schnittverletzungen geschützt und bei seinen wenig erfolgreichen Anstrengungen den Korken aus der Flasche zu entfernen, hat er mit seiner Hand vermutlich den Flaschenhals erwärmt und er hat die Flasche dabei geschüttelt. Möglicherweise wäre die Flasche nicht gebrochen, wenn ein oder mehrere Faktoren anders gewesen wären. Als Auslöser für den Bruch muss letztendlich der Versuch gesehen werden, den Korken mit dem Kellnermesser herauszuhebeln. Wäre ihm die Gefahr bewusst gewesen, hätte er vermutlich ein geeignetes Werkzeug benutzt, den Öffnungsversuch abgebrochen bevor die Flasche gebrochen ist, die Flasche früher gekauft und über Nacht liegend im Kühlschrank temperiert oder zumindest seine Hand vor Schnittverletzungen geschützt?
Ohne die Scherben der Mündung wäre die Schadensursache nicht feststellbar gewesen.

Fazit
Schadenshergänge sind in der Regel rekonstruierbar; aber dafür sind meistens alle Scherben erforderlich. Die Hemmschwelle Unwahrheiten zu behaupten ist bei Geschädigten häufig gering. Geschädigten ist häufig nicht bewusst wie gefährlich ihr Handeln war und wie einfach sie sich hätten schützen können. Wessen Aufgabe es ist Schadensfälle durch Aufklärung zu vermeiden bleibt offen.

Wie sicher sind nichtwiederbefüllbare PET-Flaschen?
Zur Einführung der wiederbefüllbaren PET-Flasche im Sommer 1990 kreierte die Werbeagentur McCann-Erickson für Coca-Cola den Begriff der unkaputtbaren Flasche. Insbesondere Korrosionsrisse im Bereich der Standfläche ruinierten jedoch die eine oder andere Oberbekleidung, sodass das Wort „unkaputtbar“ zwar den Weg in den Duden fand, aber nur eingeschränkt auf die wiederbefüllbare PET-Flasche zutrifft.
Durch die Zwangsbefandung sind für den Konsumenten die meisten Flaschen mit karbonisierten Getränken zu Mehrwegverpackungen geworden. Aber auch Umweltaktivisten bezeichnen bepfandete nichtwiederbefüllbare Verpackungen (noch) als Einweg, obwohl der Konsument einen zweiten Weg benötigt, um sein Pfand zurückzubekommen.

Die nichtwiederbefüllbaren PET-Flaschen unterscheiden sich jedoch konstruktiv deutlich von den wiederbefüllbaren PET-Flaschen. Die Wandstärke ist deutlich dünner und die Konstruktion und Ausführung der Flasche wird dem Getränk und der eingesetzten Technik in der Herstellung und Abfüllung angepasst. Dies bedeutet, dass die Reserven geringer sind, als bei neuen wiederbefüllbaren (PET-)Flaschen.
Nachfolgend sollen ausschließlich nichtwiederbefüllbare PET-Flaschen betrachtet werden sofern nicht ausdrücklich auf wiederbefüllbare Flaschen hingewiesen wird.
Bei den folgenden Betrachtungen genügen weder der Stichprobenumfang noch die gesamte Planung und Durchführung der Untersuchungen wissenschaftlichen Ansprüchen, trotzdem ist es äußerst wahrscheinlich, dass die Ergebnisse allgemeingültig sind. Es wurden Flaschen einer Eigenmarke eines großen Discounters gewählt, da die blauen Flaschen sich sehr gut fotografisch abbilden lassen. Die Auswahl dieser Flaschen erfolgte wahllos, die Ergebnisse bilden nur den beschriebenen Ausschnitt ab und lassen sich ungeprüft nicht direkt auf andere nichtwiederbefüllbare PET-Flaschen übertragen.

Einfache Ursachenermittlung
Die Schadensursache einer zerbrochenen Glasflasche lässt sich mit Hilfe der Scherben sehr gut feststellen. Ob ein Luftballon geplatzt ist, weil er bis zum Zerbersten aufgeblasen wurde, ob er durch den Einsatz einer Nadel zum Platzen gebracht wurde oder ob sich jemand auf ihn gesetzt hat, um ihn zum Zerplatzen zu bringen, ist schwieriger festzustellen. Auch bei geborstenen PET-Flaschen ist die Schadensursache auf den ersten Blick vielleicht nicht so einfach zu ermitteln. Da es Verbraucher gibt, die Schadensersatzansprüche anmelden, weil PET-Flaschen in ihrer Hand spontan und ohne ihr Verschulden explodiert wären, müssen Gerichte und Sachverständige sich mit der Frage beschäftigen, ob ein geschilderter Vorgang sich so, wie vom Geschädigten geschildert, zugetragen haben kann.

Wenn etwas z.B. mit einer Wahrscheinlichkeit von 99,999 % nicht eintreten kann, bedeutet es, dass es in einem von 100.000 Fällen doch möglich wäre. Bei der Anzahl der abgefüllten Flaschen wäre das relative Risiko scheinbar klein, das absolute aber hingegen sehr groß, sodass solche Betrachtungen nicht zielführend sind.
Hypothetisch betrachtet kann festgestellt werden: Falls eine mit karbonisiertem Getränk befüllte PET-Flasche in der Hand einer Person bersten würde, könnten Verletzungen auftreten. Wenn die Flasche durch inneren Überdruck der Länge nach aufreißt, ist zwar die beschleunigte Masse relativ gering, aber die Bruch-Kante kann sehr schnell nach außen umschlagen und z.B. Nerven in der Hand schädigen. Am ehesten vergleichbar wäre dies mit einem Rutenschlag oder Peitschenhieb. Beim Aufplatzen der Flaschenwand und dem damit verbundenem spontanen Entbinden des CO2 ist es möglich, dass das Gewinde abreißt und mit dem Verschluss stark beschleunigt wird. Natürlich könnte er hierbei auch das Auge eines Menschen treffen.
Falls nun ein Kunde angibt, ihm wäre eine Flasche in der Hand explodiert und er die geborstene Flasche als Beweismittel vorlegt, lässt sich an dieser PET-Flasche einiges über die Ursachen der Zerstörung ablesen.
Das Schadensbild wird sich vermutlich von dem, das man von der routinemäßig durchgeführten Innendruckprüfung her kennt, unterscheiden, auch weil die Innendruckprüfung in der Regel
- nicht mit karbonisiertem Produkt
- ohne Originalverschluss und
- ohne Etikett
durchgeführt wird.
Mögliche Ursachen
Grundsätzlich gibt es verschiedene Ursachen, für das Bersten einer Flasche:
- Der (unbeabsichtigte) Schlag von außen spielt bei PET-Flaschen (im Gegensatz zu Glasflaschen) in der Regel keine Rolle, da die PET-Flasche elastisch ist. Auch einen mehrmaligen Fall aus 5 m Höhe auf eine Steinplatte überstehen die getesteten Original-befüllten PET-Flaschen ohne zu bersten. Je nachdem wie die Flasche auf den Stein-Boden auf trifft, kann es zur Deformation und Beeinträchtigung des Materials im Bereich der Aufprallfläche kommen, was jedoch die Druckbeständigkeit kaum beeinflusst.
- Ein durch einen zu hohen CO2-Gehalt im Getränk erzeugter hoher Innendruck, bedingt durch eine fehlerhafte Getränkeherstellung.
- Durch eine chemische Reaktion, z.B. (bewusste) Zugabe von Calciumcarbid [„Karbidfischen“]. Die Zugabe von z.B. 2 (Kopfschmerz-) Brausetabletten reicht bei den Testflaschen nicht aus, um diese zum Bersten zu bringen.
- Durch einen Innendruckanstieg bei erhöhten Temperaturen. Dies könnte z.B. im Sommer im Innenraum eines in der prallen Sonne stehenden Autos auftreten.
- Durch Gasbildung aufgrund von mikrobiologischem Wachstum. [Anm.: Auch bei sorgfältiger Arbeitsweise ist es nicht auszuschließen, dass eine Einzelflasche durch eine Kontamination mit einem Mikroorganismus, der im Getränk wachstumsfähig ist, verdirbt. Als gasbildender Mikroorganismus ist hier die Kontamination mit einer gärenden Hefe am wahrscheinlichsten.]
- Durch einen flächigen Druck von Außen, wie er z.B. beim Überrollen mit einem Auto(reifen) oder dem Zusammenpressen mit einem Schraubstock auftritt. Da durch eine Verformung der Raum für das Getränk verkleinert wird, tritt hier ebenfalls ein zu hoher Innendruck auf und es ergibt sich ein Schadensbild einer durch zu hohen Innendruck geborstenen Flasche.
- Eine fehlerhaft gefertigte Flasche.
Ein (viel) zu hoher CO2-Gehalt kann als Ursache praktisch ausgeschlossen werden, da dieser die Abfüllleistung stark reduzieren und eine Vielzahl von Flaschen betreffen würde.
Eine bewusst herbeigeführte chemische Reaktion oder andere kriminell motivierte Manipulationen (z.B. Schraubstock, Überrollen mit KFZ) sollen hier nicht weiter betrachtet werden, da ein so erzeugtes Schadensbild in der Regel sehr auffällig ist.
Bei einem stetig ansteigendem Innendruck wird vor dem Bersten der Flasche der Überdruck normalerweise über den Verschluss abblasen. Die Flasche und der Verschluss sind jedoch Massenartikel und keine baumustergeprüften Sicherheitseinrichtungen, sodass der Innendruck möglicherweise nicht durch ein geplantes Abblasen auf den vorgesehenen Maximal-Druck begrenzt wird.
Wenn mit CO2-haltigem Getränk befüllte PET-Flaschen erwärmt werden, dehnen sie sich zunächst durch den ansteigenden Innendruck aus, um bei weiter ansteigender Temperatur (und einem Abblasen über den Verschluss) dann zu schrumpfen. Da der Bereich Halsunterstützungsring/Gewinde beim Blasen der Flaschen aus Preforms gleich bleibt, wird dieser Bereich auch bei der Formveränderung durch Temperatureinfluss nicht verändert. D.h. der Übergang im Schulterbereich zeigt entsprechende Auffälligkeiten. Wenn eine mit CO2-haltigem Getränk befüllte PET-Flasche eine bleibende Formveränderung durch hohe Temperaturen erfährt, hat es einen Einfluss, ob die Flasche einzeln aufrecht stand, mit einer Schrumpffolie zu einer Mehrstückverpackung zusammengefasst wurde, ob die Flasche liegt oder auf dem Kopf steht.
Wenn eine Flasche durch einen sehr langsam ansteigenden Innendruck ‑ z.B. durch Gärung ‑ sich verformt, ist der Einfluss des Etiketts auf die Verformung erheblich. In den meisten Fällen versagt jedoch die Klebung des Etiketts und die Flasche dehnt sich genauso aus, wie eine nicht etikettierte Flasche. Falls die Klebung jedoch dem steigenden Innendruck Stand hält, reicht die Zugfestigkeit des betrachteten Etiketts aus, um den etikettierten Flaschenbereich weitgehend zusammenzuhalten und eine entsprechend stärkere Dehnung des Schulterbereichs zu erzeugen. Wenn man das Etikett (versuchsweise) durch einen umlaufenden Klebestreifen verstärkt, steigt die Wahrscheinlichkeit sehr stark an, dass die Flasche durch die Gärung platzt.
Fazit
Die Wahrscheinlichkeit als Verkäufer wegen einer geborstenen nichtwiederbefüllbaren PET-Flasche verklagt zu werden ist sehr klein, aber nicht ausgeschlossen, wie die Realität zeigt. In der Regel wird vom Gericht ein Sachverständiger beauftragt, die Behauptungen des Klägers zu prüfen. Ähnlich wie bei geborstenen Glasflaschen lässt sich die Ursache für das Bersten einer PET-Flasche relativ sicher ermitteln. Verletzungen sind theoretisch insbesondere durch ein Abreißen des Gewindes oder ein heftiges Umschlagen der Bruchkanten möglich. Ein spontanes (unangekündigtes) Platzen einer PET-Flasche in der Hand eines Konsumenten ist äußerst unwahrscheinlich, da die Flasche bei erhöhtem Innendruck entweder über den Verschluss abbläst oder sich vor dem Bersten erheblich verformt, kann dies praktisch ausgeschlossen werden. Wenn jemand eine erheblich verformte Flasche anfasst, z.B. um sie auszuleeren, könnte es theoretisch durch den von außen durch die Hand erzeugten Druck oder/und die Bewegung zum Bersten der Flasche kommen. Die Wahrscheinlichkeit ist aber zehnmal geringer als den Jackpot in der Lotterie zu gewinnen.
Zum Vergleich, die Wahrscheinlichkeit bei einem
- Flugzeugabsturz (inkl. Kleinflugzeuge) ums Leben zu kommen ist etwa 1 :20.000.000
- von einer brechenden Glasflasche so verletzt zu werden, dass ein Arzt aufgesucht wird: 1: 10.000.000
- von einer berstenden PET-Flasche entsprechend verletzt zu werden: <1 : 10.000.000.000
- den Jackpot beim Eurojackpot oder Lotto 6 aus 49 inkl. Superzahl zu knacken beträgt 1 : 140.000.000
Für den Inhalt verantwortlicher Autor:
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Instagram. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr Informationen